Französische Flagge

Französische Flagge: Wir sind wieder in "Europa"!

Montag, 24. Januar 2022

Im Morgengrauen passieren wir Saint Barthelemy und danach die Start- und Landebahn des Flughafens von Sint Maarten. Einmal um die Ecke geht es in die Bucht von Marigot. Ich manövriere durch das Feld der Ankerlieger dicht an die Einfahrt zur Marina. Dort fällt bei bedecktem Himmel der Anker. Nach der Nachtfahrt legen wir uns erst einmal schlafen.

Am späten Vormittag wollen wir nach dem Frühstück zunächst mal einklarieren. Schlauchboot ins Wasser, Motor dran und los geht's in die direkt vor uns liegende Marina. Während wir auf die Einfahrt zusteuern, versucht auch ein Charter-Katamaran, die Enge zu treffen. Offenbar ist die Besatzung nicht oder noch nicht mit den Bewegungen des Zweirumpfers vertraut, denn sie nehmen mehrere Anläufe und verhalten sich ziemlich unentschlossen. Wir trommeln ungeduldig mit den Fingern auf einer imaginären Tischplatte: Geht das nicht schneller? Schließlich quetschen wir uns vorbei und sind im Hafen. Wo ist das Dinghi Dock? Wir legen weit rechts in einer Ecke neben einem stark motorisierten RIB an. Während wir festmachen, kommt ein junger Mann mit Dreadlocks zum RIB und verscheucht uns. Das Dinghi Dock sei in der Mitte des Marinagebäudes. Okay, wir umrunden einen Steg und richtig, dort ist eine Plattform aus schwimmenden Kunststoff-Elementen ähnlich Puzzleteilen, wie wir sie auch schon in Las Palmas de Gran Canaria gesehen haben. Gerade wollen wir festmachen, da kommt ein Uniformierter und fragt uns unfreundlich, was wir hier wollen. "Einklarieren!". Ob wir einen Liegeplatz in der Marina hätten? Nein? Einklarieren geht hier nicht. Wenig verblümt weist er uns an, uns zu trollen, wir hätten hier nichts zu suchen. Dankeschön, das ginge bestimmt auch freundlicher. Angesichts der Luxusyachten im Hafen gehören wir aber wohl nicht zu der zahlungskräftigen Klientel, die hier gern gesehen ist.

Also gut, dann versuchen wir es von Land aus. Mit dem Schlauchboot steuern wir um die Marina herum und finden ein Dinghi Dock direkt am Markt. Dort liegen schon eine Menge Beiboote, wir finden einen Platz, wo gerade ein anderes Schlauchboot ablegt. Als Merle auf die Holzplattform etwa einen halben Meter über dem Schlauchboot aussteigt, entfährt ihr ein leiser Aufschrei: Ihr Handy hat sich aus der Umhängehülle gelöst und ist ins Wasser geplumpst. So ein Mist! Und jetzt? Das Handy ist auf der Rückseite weiß. Man kann einen hellen Fleck auf dem Grund unmittelbar vor der Holzwand erkennen. Kurzerhand ziehe ich meine Klamotten bis auf die Unterhose aus. Ganz nackt zu tauchen wäre zwar wegen eines fehlenden Handtuchs grundsätzlich gescheiter, aber angesichts der zahlreichen Passanten nicht angebracht. Also rein ins kühle Nass, Luft holen und runter. Das Wasser ist unerwartet tief, ich schätze so zweieinhalb Meter. Ich muss etwas strampeln, um zum Grund zu gelangen. Unter den vielen Beibooten ist es recht dunkel, aber der helle Fleck ist trotzdem mit bloßem Auge gut zu erkennen. Der Griff danach bestätigt haptisch: Ja, das ist das Handy. Um das Auftauchen theatralisch zu gestalten, halte ich den Arm hoch, sodass die Hand mit dem Handy darin als erstes aus dem Wasser stößt. Jaja, Papa ist ein Held. Aber ein klitschnasser. Ein Mann im fortgeschrittenen Alter ein paar Schlauchboote weiter hat uns beobachtet und erkennt jetzt, warum ich baden gegangen bin. Er gibt uns den Tipp, das Handy in Reis einzulegen, damit es gut trocknet. Salzwasser ist schließlich der Elektronik bester Feind.

Straße in Marigot

Straße in Marigot

Klatschnass, wie ich bin, ziehe ich meine Klamotten wieder an, denn ein Handtuch haben wir ja nicht mitgenommen. Die Shorts über der nassen Unterhose klebt unangenehm, außerdem sieht es so aus, als hätte ich in die Hose gepinkelt. Geht nicht anders, also trotzdem los. Ich habe ein wenig Sorge, dass sich beim weiteren Fußmarsch eine Scheuerstelle im Schritt bildet.

Nächste Station: Wir suchen so etwas wie eine Hafenmeisterei. Finden wir nicht. Also versuchen wir es von Land aus im Marina-Gebäude. Dort angekommen, werden wir wieder abgewiesen. Einklarieren sei nur Service für Liegeplatzinhaber. Sind wir aber nicht. 

Wieder draußen, versuchen wir per Internet herauszubekommen, wo man denn nun hier einklariert. Merles Handy verweigert den Dienst, nass, wie es ist. Meins ist nur noch wenig geladen. Aber es reicht gerade, um schließlich zu erfahren, dass im Shop eines Bootsausrüsters ein Einklarierungs-Computer steht. Der Weg dorthin ist lang, einmal quer durch die Stadt auf die andere Seite. Die nasse Unterhose klebt unangenehm. Nach einer gefühlten Stunde betreten wir den Laden und finden auf Nachfrage den Einklarierungsplatz, eine Nische unter einer Treppe. Dort müht sich ein Senior mit den Tücken der Informationstechnologie ab. Das dauert. Während der Wartezeit schauen wir uns im Ship Shop um, finden aber nichts Kaufenswertes. Endlich hat der Senior seine Daten eingegeben. Nun gilt es, das Formular zwecks Unterschrift und Stempel auszudrucken. Auf den Druckbefehl hin passiert: nichts. Ich biete an zu helfen und prüfe die Druckerkonfiguration, mit französischer Nutzeroberfläche gar nicht so einfach. Es gibt mehrere mögliche Printer. Also fragen wir beim Personal, erhalten Antwort und versuchen es erneut mit dem richtigen Drucker. Kein Bild, kein Ton. Ach so, Papier alle. Endlich druckt's. 

Jetzt ich. Mit dem USB-Stick von Martinique sind die Basisdaten schnell importiert. Ankunfts- und voraussichtliches Abreise-Datum korrigieren und ab an den Drucker. Wieder kein Bild, kein Ton, es druckt nicht. Nachfrage beim Personal, einem jungen Burschen, erfahren in Bootsdingen, aber Computer? Schulterzucken, der Chef muss ran. Es stellt sich heraus: Tintenpatrone leer. Dann haben wir ja alle Fehlerquellen durch, hoffe ich. Tatsächlich, es druckt. Und jetzt? Mit dem Ausdruck werden wir zur Kasse gebeten, im wahrsten Sinne des Wortes. Zehn Euro bitte. Ich habe nur einen Fünfziger. Auf den will der Chef nicht herausgeben, oder kann nicht. Ob ich kein Kleingeld hätte? Nur ein Zwei-Euro-Stück. Okay, sagt Chef, nehme ich. Und fertig. Wie fertig? Jaja, schon gut, ist erledigt. Dankbar trollen wir uns zügig, bevor er es sich anders überlegt.

Fotos machen ist nicht, denn Merles Handy ist nass und streikt, meins hat nach der Navigation zum Ship Shop keinen "Sprit" mehr. Inzwischen ist es Nachmittag geworden. Allerdings sind die Lebensmittelläden immer noch in der langen Mittagspause, also können wir auch nichts einkaufen. Auf dem langen Weg zurück zum Dinghi Dock entdecken wir doch noch einen geöffneten Mini-Markt, kaufen von dem spärlichen Gemüseangebot das wenige, was einigermaßen frisch aussieht, und machen uns auf den weiteren Heimweg. 

Auf Joli Ame angekommen, gibt's eine warme Mahlzeit. Wir versuchen, Merles Handy einer sinnvollen Trocknung zuzuführen. Das WLAN der nahen Marina ist verschlüsselt, weitere Bord-WLANs der Nachbarboote ebenfalls. Das Handynetz ist dünn, der Schwell der vorbeifahrenden Fähren und Yachten hier vor der Marina-Einfahrt und die daraus resultierende Schaukelei lästig. Weil wir morgen mit dem Schlauchboot in den niederländischen Teil der Insel hinüber wollen, verlagern wir unseren Ankerplatz schon einmal in die unmittelbare Nähe der engen Passage zur großen Lagune im niederländischen Teil. Schließlich hat unser Elektro-Außenborder eine eingeschränkte Reichweite.

Wir werfen bei der Anfahrt schon einmal einen Blick in den Kanal, der in die Lagune hinüber führt. Dort gibt es eine Tankstelle. Nachdem wir geankert haben, beobachten wir eine schnittige Motoryacht, die tatsächlich rückwärts in die Einfahrt manövriert, vermutlich um zu tanken. Morgen werden wir bei der Vorbeifahrt mit dem Dinghi prüfen, ob wir dort Diesel aufnehmen können.

Wir vertrödeln den restlichen Abend und gehen früh schlafen.

Wracks in der Lagune

Wracks in der Lagune, vermutlich Opfer des oder der letzten Hurricanes

Dienstag, 25. Januar 2022

Heute wollen wir die Lagune jenseits der Grenze zwischen französischem und niederländischem Teil von Sint Maarten/St. Martin erkunden. Nach dem Frühstück "satteln" wir unser Dinghi. Den Akku unseres Elektromotors haben wir bis auf 100 Prozent aufgeladen, denn so eine lange Strecke sind wir noch nie motort. Hoffentlich reicht der Saft auch für den Rückweg. Sollte theoretisch zwar, aber man weiß es eben (noch) nicht... Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste.

Hinein geht es in den Kanal an Felsen dicht unter der Oberfläche vorbei. Im klaren Wasser kann man sie gut erkennen. Wenn aber die Sonne tief steht und die Wasseroberfläche das Licht reflektiert, brummt man mit der Yacht drauf, weil man sie erst sieht, wenn es zu spät ist. Also nur etwas für Menschen mit Ortskenntnissen. Tatsächlich gibt es auf der rechten Seite eine Tankstelle, allerdings ohne Preisschilder. Die Wassertiefe schätzen wir mit Augenmaß auf, naja, sagen wir 2 bis 2,5 Meter. Könnte für uns reichen. Allerdings ist der Kanal nur etwa 10 oder 12 Meter breit. Wenden mit einem 14-Meter-Schiff ist nicht. Wir müssten also je nach Stromrichtung im Kanal vorwärts rein und rückwärts raus oder umgekehrt, und das über eine Strecke von mehr als 50 Metern. Das ist mir entschieden zu haarig mit unserem Langkieler, der rückwärts nicht besonders gut zu steuern ist. Tanken entfällt also. Muss aber auch nicht sein, wir haben noch genug Diesel seit Martinique.

Auf der linken Seite des Kanals liegt eine Schule für junge Kinder direkt am Wasser. Auf einer Veranda im ersten Stock findet gerade eine musikalische Aufführung statt. Ein erwachsener Musiker spielt etwas vor, die Kinder singen begeistert mit. Was für ein schönes Bild, da lacht das Herz!

Unverkennbar, wir sind nahe dem niederländischen Teil. Denn über den Kanal führt eine Klappbrücke, wie sie in den Niederlanden zuhauf zu finden ist. Die beiden Stützpfeiler sind mit Mosaiken geschmückt. Jenseits der Brücke finden sich Servicebetriebe für Yachten und Schiffe sowie ein Yachthafen, an dessen Seite der Ship Shop liegt, in dem wir gestern einklariert haben. Ist also noch französisch. Dass all die großen Yachten, die hier im Hafen liegen, die Klappbrücke passiert haben müssten, ist klar. Und zeigt, dass auch Joli Ame hier durch könnte. Aber nicht muss. Gibt es noch eine andere Einfahrt hierher?

In der weitläufigen Lagune liegen viele Wracks, die vermutlich während der vergangenen Hurricane-Saisons hier Schutz gesucht und nicht gefunden haben. An einem völlig verrosteten Motorschiff sind Yachten vertäut, die die Stürme aber auch so nicht heil überstanden haben. Hier und da ragt ein Mast schräg aus dem Wasser, andere Rümpfe liegen auf Grund, haben wiederum keinen Mast mehr. Ein warnendes Bild, besser nicht in der Sommersaison hier zu sein, wenn die Hurricanes wüten.

Straßenbrücke quer über die Lagune

Straßenbrücke quer über die Lagune. Wo rechts die beiden Pfeiler aufragen, kann die Brücke hochgeklappt werden.

Merle hat als touristisches Ziel für heute den berühmten Strand mit "Jet Blast" auserkoren. Die Start- und Landebahn des Flughafens von Sint Maarten endet direkt an einem Badestrand, an dem wir gestern morgen schon mit Respektabstand vorbeigesegelt sind. "Jet Blast", weil die startenden Flugzeuge, nur durch einen Zaun vom Badestrand getrennt, ihren Düsenluftstrahl beim Start direkt auf die Badegäste richten. Das haut einen aus den Socken, so liest man. Einem Abenteuer niemals abgeneigt, will Merle genau dorthin.

Wir schnurren quer über die Lagune zu der Stelle, die dem Flughafen am nächsten ist, damit der Fußweg nicht so lang wird. Dort angekommen, fragen wir uns, wo anlegen? Es gibt als einzige Möglichkeit nur ein paar Landungsstege für Taxi- und Shuttle-Boote, die Fluggäste bringen und holen. Die Stege sind stark frequentiert. Wenn wir da für mehrere Stunden unser Schlauchboot anbinden wollen, gibt das bestimmt mächtige Meckerei. Wir drehen ab und erkunden das Ufer der Lagune weiter ostwärts. Es gibt eine Stelle mit einem zerbröselnden Holzsteg, der zu einem Firmengrundstück gehört. Das Tor des Grundstücks zur Straße steht offen. Aber wird das noch so sein, wenn wir vom Strand zurückkommen? Das Risiko gehen wir nicht ein. Also weiter. 

Luxusyachten in Sint Maarten

Luxusyachten in Sint Maarten

Es ist zum Verzweifeln, keine Chance, überall nur Anleger von Betrieben für Schifffahrtsservice. Wir müssen erst eine langgestreckte Straßenbrücke unterqueren, um in den Yachthafen von Sint Maarten zu gelangen. Hier liegt - noch um ein Vielfaches größer als in Antigua - eine riesige Flotte von fetten Superyachten mit bezahlten Crews, die ihren Gästen jeden Wunsch von den Augen ablesen. Mit unserem Mini-Schlauchboot dazwischen kommen wir uns ganz schön klitzeklein vor.

Schließlich finden wir die einzige im Internet dokumentierte Stelle, wo man zwanglos mit dem Schlauchboot anlanden kann. Es ist eine bekannte Bar mit vielfältigem Angebot an Drinks, aber auch Speisen.

Fisch wird filetiert

"Hey man, this is huge!" - "That's what the girls always say to me."

Dort angekommen, finden wir ein kleines Seitenbecken von Betonmauern umgeben. Darin liegen schon einige Schlauchboote, es ist aber noch reichlich Platz. Nur sind die Mauern recht hoch, beinahe brusthoch, aber für uns sportliche Typen unproblematisch. Auf der Terrasse der Bar zerlegt gerade ein Mann einen mächtigen Fisch. Ich bleibe davor stehen, um zu fotografieren. Dialog mit dem Messermann: 
Ich: "Hey man, this one is huge!" (Hey Mann, der ist ja riesig!)
Er: "That's what the girls always say to me." (Das sagen die Mädels mir immer)
Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Wir verweilen nicht länger, denn wir haben ja noch einen gewaltigen Fußmarsch von mehreren Kilometern vor uns. Richtung Westen geht es an der Flughafenstraße entlang. Es gibt null Schatten, die Sonne knallt, die Straße ist rege befahren. Zuerst schreiten wir kraftvoll aus, aber von Kilometer zu Kilometer werden die Schritte schlapper.

Bushaltestelle

Siehe Schild. Aber wozu der Betonsockel?

Right in the middle of nowhere kommen wir an einer Bushaltestelle vorbei. Die heißt auch so, wie das Schild auf Holländisch zeigt. Daneben findet sich ein Betonfundament. Haltestellenhäuschen mit Schatten? Fehlanzeige. Hält der Bus nur, wenn man auf dem Betonpodest steht? Oder steht man darauf einigermaßen trocken, wenn es schüttet und alles von Pfützen umgeben ist? Fahrplan, Infos über die Buslinie? Null. Skurril. Na denn, weiter zu Fuß!

Auf der Straße brandet der Verkehr vorbei, wir schleppen uns über den Schotter. So eine Startbahn ist verdammt lang, jedenfalls zu Fuß. Irgendwann erreichen wir die ersten Hangars mit Privatjets davor. Die obligatorischen Autovermietungen schließen sich an. Dann folgt ein riesiger Parkplatz mit Corona-Teststation. Es geht am Flughafengebäude vorbei, nochmal ein großer Bogen Umweg. Dann Endspurt, der Strand ist nah. Mannomann, was für eine Strapaze.

Weg zum Jet Blast Strand

Weg zum Jet Blast Strand, rot mit dem Dinghi, gelb zu Fuß. Hin und zurück...

Beidseits des etwa 100 Meter langen Strandes bieten Bars Erfrischungen an. Dazwischen führt eine Straße vorbei. Wegen des Jet Blast oder weil der Wind ständig weht, liegt der Sand des Strandes knöcheltief auch auf dem Asphalt. Da kann man sich leicht festfahren. Startbahn und Strand trennt ein Maschendrahtzaun mit Schild: "Danger - Gefahr für Leib und Leben".

Beide Bars sind sehr gut besucht. Dort einen Platz zu bekommen, ist illusorisch. Die Preise sind gehoben, gleichwohl gibt es Sonderangebote im Stil von "Zahle 4, trinke 5!" oder ähnlich, mit obligatorischem Hinweis auf Happy Hour und so. Der Strand selbst ist ziemlich abschüssig, der Sand tief. Familien und Gruppen von Badegästen verteilen sich mit reichlich Platz dazwischen. Sonnenschirme gibt's hier kaum. Wir suchen uns ein Plätzchen und lassen uns nieder. 

Auf den ersten Flieger müssen wir nicht lange warten. Einer nach dem anderen saust landend über die Köpfe hinweg, alle Größen sind verteten. Bei der Landung gibt es allerdings keinen Jet Blast, nur beim Start. Dann rollt endlich ein startendes Flugzeug zum Anfang der Startbahn. Allerdings ist es eine Propellermaschine, der Jet Blast ist keiner, weil kein Jet, also komplett lahm.

Privatjets am Wegesrand

Privatmaschinen am General Aviation Terminal, rundherum sehr spärlicher Rasen und reichlich Schotter

Ich lege mich auf den warmen Strand, mein Rucksack dient als Kopfkissen. Nach wenigen Sekunden bin ich hoffnungslos eingeschlafen. Als ich erwache, ist Merle ziemlich sauer. Warum ich denn jetzt schon wieder gepennt hätte? Sorry, ey!

Irgendwann so etwa nach drei Uhr treten wir den Rückweg an. Gleich neben dem Strand gibt es einen Verkehrskreisel und gegenüber: einen Supermarkt! Und zwar einen richtig großen. Nix wie rein. Eingedenk des langen Rückweges zu Fuß halten wir uns aber bezüglich der Last der Einkäufe etwas zurück. Der Weg ist in der Tat wieder lang und steinig. Immerhin können wir jetzt die Strecke besser einschätzen. 

Als wir an der Bar mit dem Dinghi Dock ankommen, tritt allgemein schon langsam eine Art Feierabendstimmung ein. Wir inspizieren die Speisekarte. Kickt uns nicht wirklich, viel Fleisch und Fast Food, zu ambitionierten Preisen. "Lass' uns noch die Straße bis zur Brücke laufen, vielleicht gibt es da noch was Besseres!" Machen wir, aber finden nichts, was uns anspricht. Immerhin haben wir die deutlich breitere Einfahrt in die Lagune und den Hafen mit den Superyachten gefunden, mit großer Klappe, sprich Klappbrücke. Na klar, hier passen auch die stattlicheren Pötte durch. Also machen wir uns auf die zeitraubende Schlauchbootreise "nach Hause" und schweigen uns dabei an. Uns wird ein bisschen kalt. Auf Joli Ame angekommen sind wir restlos alle. Ein kurzes Mahl rundet den ereignisreichen Tag ab.

Panorama Cole Bay

Panorama von Cole Bay, dem großen Yachthafen von Sint Maarten. Im Hintergrund die große Lagune zwischen Ankerplatz und Flughafen

Mittwoch, 26. Januar 2022

Meine Schwiegermutter = Merles Oma befindet sich mit Lebensabschnittsbegleiter zeitgleich zu uns auf einer Kreuzfahrt in der Karibik. Als wir im November unsere mit deren Route verglichen haben, gab es zwei Möglichkeiten für Treffpunkte von "Mein Schiff" und unserem Schiff: Philipsburg auf Sint Maarten oder Tortola in den Britisch Virgin Islands. Weil wir beim Segeln Terminpläne nur schwerlich lange im Voraus festlegen können, haben wir beide Optionen im Auge behalten. Dass Philipsburg zeitlich nicht klappen würde, hatten wir bereits in den letzten Tagen festgestellt. Trotzdem wollen wir uns diesen touristischen Hot Spot ansehen, wenn wir schon hier sind. Das bedeutet allerdings einen Weg von etwa fünf Kilometern um die Berge herum. Merle als durchtrainierte Sportlerin plädiert aus Fitnessgründen für den Fußweg, der Herr Papa pflichtet bei, stimmt aber - geizig wie er ist - eben auch aus finanziellen Gründen zu. Taxi würde es wohl geben, aber Schusters Rappen ist günstiger. Öffentliche Verkehrsmittel? Wir haben Corona-Pandemie. Sich im Bus eine Infektion zu holen, wäre ziemlich blöd. Und Fahrpläne zu recherchieren, macht wenig Spaß.

erster Blick auf die Bucht von Philipsburg

Erster Blick auf die Bucht von Philipsburg. Ganz rechts am Rand das Kreuzfahrtterminal, links der lange Badestrand mit den Hotels

Also auf geht's! Mit dem Schlauchboot passieren wir den kleinen Kanal zur Lagune, durchqueren sie Richtung Cole Bay und schnurren bis zu einem Ship Shop im äußersten Scheitelpunkt des Hafens. Dort gibt es für die Kunden des Ladens ein Dinghi Dock. Als wir dort anlegen, steht ein Mann auf dem Steg und blickt gelangweilt in die Gegend. Ist das ein Aufpasser oder ein Kunde, der auf jemanden wartet? Um unsere Berechtigung zum Anlegen zu demonstrieren, besuchen wir erst einmal den Shop. Zum Aufheißen des Schlauchbootes auf das Deck von Joli Ame habe ich bisher einen Knoten in das dafür genutzte Reservefall gemacht. Schneller und einfacher ginge es mit einem Schnappschäkel. Nach dem suchen wir. Ein Angestellter zeigt uns die teureren Varianten mit definierter Bruchlast und im Nachgang die günstigeren auf der anderen Seite der Stellwand mit den Beschlägen. Es geht bei unserer Anwendung nur um maximal 50 Kilo, also reicht die Billigware völlig. Ein paar Ersatzschäkel für den Fall der Fälle wandern noch in den Einkaufskorb, ab zur Kasse und raus.

Einfahrt in die Bucht von Philipsburg

Einfahrt in die Bucht von Philipsburg, links das Kreuzfahrtterminal 

Ach, was wäre die Routenfindung umständlich, wenn man - old scool - eine Papierlandkarte zurate ziehen würde. Dank Google Maps wird die Route für den Fußweg auf dem Handybildschirm angezeigt - schöne neue Welt! Es gibt allerdings keine Alternative zur Wanderung entlang der Hauptverkehrsstraße um den großen Berg herum. Nicht besonders idyllisch mit dem dichten Verkehr maximal zwei Meter neben uns. Innerhalb und abschnittsweise auch mal außerhalb der Leitplanken geht es über mindestens zwei Kilometer ständig bergauf, wieder bei sengender Sonne im Abgasmief. Merle im zügigen Walking Mode vorweg, Vattern schnaufend und schwitzend hinterher. Gäbe es da unten am Wasser entlang nicht eine andere Route? Google Maps zeigt uns anhand der verzeichneten Straßen und Wege durchaus, dass wir uns dort hätten durchschlagen können. Aber warum bietet die App diese Route nicht an? Wir heben uns diese Variante für den Rückweg auf, schließlich sind wir oben an der Bergstraße schon weit gekommen. Auf der Passhöhe gibt es eine Abzweigung abwärts Richtung Küste. Die wollen wir auf dem Rückweg ausprobieren.

Philipsburg mit seinem langen Badestrand

Philipsburg mit seinem langen Badestrand

Nach der Passhöhe geht es - na klar - wieder abwärts, diesmal glücklicherweise auf einer weniger befahrenen Straße mit (!) separatem Fuß- und Fahrradweg. Wir durchqueren eine Ortschaft mit ansehnlichem Fußballplatz entlang des Little Pond. Dann treffen wir wieder auf die Hauptverkehrsstraße, es wird wieder eng und abgasgeschwängert. Diesmal müssen wir sogar über den Rand einer Brücke balancieren, Geländer Fehlanzeige, unmittelbar neben uns die vorbei brausenden Autos. So langsam haben wir den Kanal voll und freuen uns auf eine Erfrischung. Aber das Ziel ist ja in Sichtweite.

Straße am Eingang von Philipsburg

Straße am Eingang von Philipsburg

Am Ortseingang säumen bunt gestrichene Häuser den Weg. Die Bausubstanz macht einen gepflegten Eindruck. Alles ist hübsch zurechtgemacht, damit die zahlreichen Kreuzfahrttouristen sich wohl fühlen. Immerhin liegen gleich vier Riesenschiffe am Cruise Terminal und haben Tausende ihrer Gäste in die Stadt ausgespuckt. Entlang der Hauptstraße parallel zum langen Sandstrand mit einer Gebäudezeile dazwischen reihen sich Juwelierläden im großen Stil aneinander. Scheint hier der Renner zu sein. Ist Gold und Schmuck in Sint Maarten steuerfrei? Wir biegen in eine Stichstraße ein, um zur Strandpromenade zu gelangen. Weil wir für die Einreise zu den British Virgin Islands mal wieder einen PCR-Test brauchen, fragen wir in einer Apotheke nach. "Selbstverständlich geht das, bitte gehen Sie ganz nach hinten durch, dort bekommen Sie den Test." Die Verkäuferin dort legt uns einen Selbsttest auf den Tresen. Wir klären sie auf, dass wir einen Test mit Dokumentencharakter zur Einreise in die British Virgins brauchen. Ach so, nein, den gebe es hier nicht. 

Merle hat ein inzwischen recht dringliches Bedürfnis. Eine öffentliche Toilette suchen wir vergebens. Schließlich finden wir an der Strandpromenade den Eingang zu den sanitären Anlagen einer Bar, den man ohne Konsumierzwang erreichen kann. Ich finde derweil einen unverschlüsselten WLAN-Zugang eines benachbarten Hotels, da wird mir die Wartezeit nicht lang.

Straßenzug in Philipsburg

Straßenzug in Philipsburg

Endlich können wir zum gemütlichen Teil übergehen. Wir suchen eine Bar, in der wir uns für eine Erfrischung niederlassen können. Vielleicht gibt es auch etwas Einfaches und Erschwingliches zu Essen? Wir schlendern die Strandpromenade Richtung Westen entlang. Der Strand entspricht Merles Geschmack, hier würde sie sich ein paar Tage wohlfühlen können. Ich habe nach einem erfüllten Urlaubsleben mit vier Kindern und dem zugehörigen Buddeln und Spielen am Strand mein Soll an Herumliegen auf einem Badetuch gründlich erfüllt und finde an so einer Urlaubsgestaltung keinen Geschmack mehr. Schließlich ist ein Sonnenbad Quelle von Hautkrebs und im fortgeschrittenen Alter Sonnenbräune nicht mehr höchstes Ziel. Ich Spielverderber!

Passage mit Wasserspiel

Palmengesäumte Fußgängerpassage mit Wasserspiel, links hinten an der Strandpromenade unsere Bar

Wir entscheiden uns für eine Terrassenbar an der Ecke einer idyllischen Fußgängerpassage mit plätscherndem "randlosen" Springbrunnen und Palmenallee. Gegenüber spielt eine One Man Band. Die Konstellation von nur Gesang und Trommeln mutet für einen europäischen Musiker wie mich etwas merkwürdig an, ist aber gar nicht schlecht. Um Tonarten der Begleitung muss der sich jedenfalls keine Gedanken machen - er singt einfach, wie ihm die Kehle gewachsen ist.

Merle bestellt ein nichtakoholisches "frozen" Getränk, ich ein Standardbier. Die Speisekarte weist ganz unten einen Nebensatz auf: Bei Umsatz unter 20 Dollar nur Cash, keine Kreditkarten. Ach du liebe Zeit! Wir kramen in unseren Geldbörsen. Nicht genug Bargeld. Mist. Ich frage den vielbeschäftigten Kellner. "Cash only!" bestätigt er mit ernstem Gesicht. Und jetzt? Ich mache mich auf die imaginären Socken, um einen Geldautomaten zu finden, während Merle hier die Stellung hält.

Fake-Windmühle

Fake-Windmühle als Hotelgebäude. Wir sind schließlich "in den Niederlanden".

Auf dem Hinweg sind wir an der von Juwelieren gesäumten parallelen Hauptgeschäftsstraße an einem Pavillon mit Geldautomat vorbeigekommen. Dorthin marschiere ich zuerst. Rolläden zu, geschlossen. Na gut, versuche ich es mal mit der App meiner Bank unter dem Menüpunkt "Geldautomaten finden". Dazu gehe ich wieder zu dem Hotel mit dem unverschlüsselten WLAN von vorhin. Die App sagt: "Nichts gefunden". War ja zu erwarten. Dann muss eben Google Maps ran. Geldautomat? Gaaaanz am anderen Ende der langen Strandpromenade! Ich mache mich seufzend auf den Weg.

Am Zielort angekommen, finde ich eine Ladenzeile mit Souvenir Shops. Über einem Eingang steht ein Schild zum Geldautomaten. Ich betrete den Laden unter dem Schild, wundere mich, wie es hier im Shop einen Geldautomaten geben kann, aber gut, andere Länder, andere Sitten. Ich finde keinen. Die Verkäuferin ist mit einer anderen Kundin beschäftigt. Endlich fragt sie nach meinem Begehr. Der Geldautomat befindet sich nicht im Laden, sondern um die Ecke. Das Schild über dem Eingang ist missverständlich. Ach so. Schließlich finde ich den Automaten, schiebe meine Kreditkarte ein, die kostenlose Bargeldabhebung an Zigtausenden Automaten weltweit verspricht. PIN, Betrag 100 Dollar eingeben, warten. "Für eine Auszahlung wird eine Gebühr von 7 Dollar fällig. Sind Sie damit einverstanden?" Musste ja so kommen. Ich rolle mit den Augen und knirsche mit den Zähnen. Das ist die teuerste Abhebungsgebühr, die mir je untergekommen ist. Leck mich am Mors, geht jetzt nicht anders. Da spart man sich das Taxi, läuft fünf Kilometer zu Fuß, und dann muss man die Kohle an dieser Stelle aus dem Fenster in den gierigen Rachen eines Kreditinstitutes werfen. Mensch, ärgere dich nicht, du Geizkragen.

Strandpromenade Philipsburg

Strandpromenade von Philipsburg

Auf dem Rückweg zur Bar bin ich des Wanderns müde und schleppe mich nur so dahin, ohne die touristische Umgebung wertschätzen zu können. Merle wartet schon ungeduldig. Sie hatte sich noch eine Ladung Fritten bestellt und mir ein paar übrig gelassen. Die sind ratzfatz weg. Wir zahlen mit dem "teuren" Bargeld. Hätte ich jetzt noch ein Bier bestellt, wären die 20 Dollar überschritten und wir hätten mit Karte bezahlen können. Hinterher ist man meistens schlauer.

Haben wir genug gesehen von Philipsburg? Wir schlendern die Hauptgeschäftstraße entlang und entdecken hübsche Eckchen mit netten open air Bars. Unser Bedarf ist aber bereits gedeckt. So sehr viel mehr gibt es auch hier nicht zu sehen, denn jenseits der Hauptstraße wird es ganz schnell ruhig und weniger ansehnlich.

Merles "frozen" Drink

Merles "frozen" Drink, natürlich sportlich alkoholfrei

Inzwischen ist es wieder Nachmittag. Auch heute wird der Rückweg lang und heiß. Also machen wir uns auf und streben der Landstraße entgegen. Balancieren auf der Brücke, Leitplanke innen und außen, am Little Pond entlang, bergauf auf dem Radweg, Passhöhe.
Ah! Hier wollten wir doch die Alternativroute an der Küste wählen! Noch einmal ziehen wir Google Maps zurate, in Satelliten- und Landkartendarstellung. Irgendwie müsste es da ein Durchkommen geben. Also gut, wir biegen hier ab.

Es handelt sich um den Eingang eines Resorts mit Schranke und Wärterhäuschen. "Wir wollen zum Badestrand da unten", lügen wir, um unseren Durchgang zu rechtfertigen. Ich frage den Wachtposten, ob es einen Weg untenherum nach Cole Bay gibt. Er antwortet schnell und wortreich, deutet dabei mit ausgestrecktem Arm in die gewünschte Richtung. Ich verstehe nur Bahnhof, interpretiere die Geste mit dem Arm aber als Zustimmung. Danke und los. Merle fragt mich, was er geantwortet hat. "Keine Ahnung". Sie schimpft mit mir, warum ich nicht nachgehakt habe. Aber warum fragt nicht sie oder steht zumindest bei der Antwort neben mir, wenn sie vier Jahre in den USA gelebt und studiert hat und deshalb den Slang besser versteht?

Wir nehmen die Straße bergab und durchqueren ein Neubaugebiet. Manche Häuser sind fertig, andere Baustelle. Es gibt ein Musterhaus mit Kaufberatung, Bagger, Handwerker. Die Straße geht am Ende in Schotter über und endet in einem improvisierten Parkplatz. Dort grenzt ein Zaun mit einem windschiefen Törchen an. Dahinter: Pampa, Gestrüpp, Klopapierfetzen. Wenig einladend. Wohl die Freilufttoilette der Bauarbeiter. Da wollen wir nicht durch.

Leguan am Wegesrand

Leguan am Wegesrand. Die Viecher haben hier keine natürlichen Feinde. Der hier ist etwa einen Meter lang, inklusive langem Schwanz. Völlig harmlos für den Menschen, sehen aber irgendwie gefährlich aus.

Wieder inspizieren und interpretieren wir Google Maps. Was aus der Darstellung nicht hervorgeht: Wir befinden uns an einem steilen Hang. Was so aussieht, als läge es direkt nebeneinander, hat einen Abstand von mindestens 50 Höhenmetern. Wir erklimmen einen Hang, um die Parallelstraße weiter oben zu verfolgen. Auch die endet im Nichts. Wiederum keine 100 Höhenmeter über uns befindet sich ein Aussichtspunkt mit Denkmal an der großen Straße des Hinwegs. Da steil hinauf? Keine Chance, dabei würden wir abstürzen.

Schwere Entscheidung: Wir müssen zurück, bergauf bis zu der Schranke und dem Wärterhäuschen. Schlussendlich hat uns dieser Irrweg eine Stunde und gut und gern mindestens zwei Kilometer zusätzlich beschert. Merle mault flucht, ich beiße die Zähne zusammen. Immerhin bleibt uns eine Peinlichkeit erspart: Der Wächter hat Feierabend gemacht, der Wachtposten ist verlassen.

Erwartungsgemäß ist der weitere Rückweg entlang der Hauptverkehrsstraße nervtötend und riskant, mal innerhalb, mal außerhalb der Leitplanke. Als wir endlich den Ortsrand von Cole Bay erreichen, suchen wir noch einen Supermarkt auf. Das Angebot an Frischware ist gut und erschwinglich. Angesichts des nunmehr kurzen Fußwegs zum Dinghi Dock beim Ship Shop füllen wir unseren Rucksack und die Einkaufstaschen. Der Ausrüsterladen ist noch geöffnet, der Zugang zum Anlegesteg frei. Ohne von Angestellten dort angesprochen zu werden, entern wir unser Schlauchboot, setzen uns entspannt auf die Gummiwülste und machen uns von dannen. 

Um nicht zuviel Strom aus dem Außenborderakku zu ziehen, fahren wir mit gemäßigtem Tempo. Unter der langen Straßenbrücke durch, queren der Lagune mit ihren Wracks, schließlich durch den kleinen Kanal mit der niederländischen Klappbrücke - das war ein langer Tag! Hat sich die ganze Mühe gelohnt? Äh, ja, schon.

Straße am Berg

Auf dem Weg zur Zip Line außerhalb der Stadt

Donnerstag, 27. Januar 2022

Heute will sich Merle einen besonderen Wunsch erfüllen. Sie hat von einer Zip Line in den Bergen über Marigot gelesen. Was ist das? Ein findiger Mensch spannt ein solides Drahtseil von einem Baum auf der einen Seite eines Tales zu einem Baum auf der anderen Seite. Dann legt Mensch einen Klettergurt an und befestigt daran zwei kurze Stropps mit Rollen am Ende.  Zwei wegen doppelt ist sicherer. Diese Rollen werden auf dem Drahtseil eingeklinkt. Weil es am Drahtseil bergab geht, beschleunigt der Mensch am Draht und saust mit einem Affenzahn über das Tal. Am anderen Ende des Drahtseils angekommen, bremst der Passagier mit Arbeitshandschuhen etwas am Tragseil, damit er lässig mit dem Restschwung die Zielplattform besteigen kann. 

Zielgerade der Wanderung zur Zip Line

"Letzte Meile" auf dem Weg zur Zip Line. Nach dem Abzweig von der Straße führt ein recht holperig asphaltierter Weg durch eine parkähnliche Landschaft zum Lodge

Das Angebot teilt sich in verschiedene Schwierigkeitsgrade. Es gibt eine gänzlich harmlose Tour. Für die Supersportlerin Merle undenkbar. Die mittlere Variante verheißt mehr Spaß. Das Optimum an Nervenkitzel oder neudeutsch Thrill liefert aber die Pro Route, also die für Professionals. DAS ist Merles Ding! Immerhin kostet der Spaß 60 Euro pro Person. Ich bitte sie, das Eintrittsgeld für mich mit zu übernehmen. Schließlich zahle ich ständig fast alles auf dieser Reise, von wenigen Ausnahmen abgesehen. Okay, ist abgemacht.

Der Weg dorthin erstreckt sich über viereinhalb Kilometer. Wie "Tal" vermuten lässt, befindet sich das Gelände in den Bergen, es wird also ständig bergauf gehen. Da ist gutes Schuhwerk gefragt.

Mit dem Schlauchboot geht es zum Dinghi Dock am Markt, da, wo am ersten Tag Merles Handy ins Wasser geplumpst ist. Unsere Route führt uns auf der Ausfallstraße mal wieder den Berg hoch, war ja klar. Der zweite Gewaltmarsch an zwei Tagen... Aber wir wollen ja nicht völlig abschlaffen beim Rumhängen auf dem Boot. 

Irgendwann biegen wir von der Hauptstraße ab auf eine Nebenstraße. Es geht durch immer dünnere Bebauung, bis auch die aufhört. Beinahe verpassen wir die Abzweigung zu dem parkartigen Gelände, auf dem sich die Zip Line befinden soll. Nach mehreren hundert Metern erreichen wir schließlich eine Art Ausflugslokal mit Kinderspielplatz, Restaurant, Pool und Gästezimmern. Sieht sehr einladend aus, geschmackvoll angelegt, Restaurant und Rezeption stehen auf Stelzen in luftiger Höhe.

Eingang zum Ausflugslokal mit der Zip Line

Kinderspielplatz "Jungle Adventure Park"

An der Rezeption muss Merle mal wieder ihren Ausweis zeigen, denn die Pro Tour ist nur für Erwachsene ;-)  Brav bezahlt sie wie abgesprochen für mich mit. Kurzer Boxenstopp am Toilettenhäuschen, dann warten wir am Starthäuschen der Zip Line. Unterdessen vernehmen wir lautes Jauchzen und Jubelschreie der Begeisterung von irgendwo da oben. Muss wohl mächtig Laune machen... Schließlich kommt eine Gruppe mit Klettergurtausrüstung den Waldweg herunter. Der Guide, ein Local um die zwanzig Jahre jung mit knallrotem T-Shirt, verabschiedet seine Gruppe mit High Five und coolen Motivationssprüchen. Dann wendet er sich uns zu und preist uns glücklich: Wir hätten Glück und mangels anderer Gäste eine exklusive Solo-Tour! Schön! Er teilt uns das Gurtzeug zu, hilft beim Anlegen und bittet uns, am Eingang des Geländes einen Pritschenwagen mit Bänken auf der Ladefläche zu besteigen. Das geht dank einer Art Rampe ganz einfach. Allerdings muss er erst den Fahrer suchen gehen. Der hockt noch auf dem stattlichen Rasenmäher, der uns alsbald mit lautem Geknatter umrundet.

Selfie auf dem Pritschenwagen zur Zip Line

Selfie vor der Abfahrt zur Bergstation

Wir nutzen die Zeit für ein Selfie auf dem Pritschenwagen. Weil wir mit dem Transporter den Berg hinauf fahren werden, setzen wir uns mit dem Rücken zur Fahrtrichtung, damit wir dann den Ausblick ins Tal ohne Verrenkungen genießen können.

Panorama während der Bergfahrt

Panorama während der Bergfahrt

Richtig gemacht! Tatsächlich bietet sich ein schönes Panorama. Oben angekommen gibt es allerdings keine Ausstiegsrampe. Über die Bordwand müssen wir hinunterspringen - runter kommen sie alle...

Unser Guide erklärt uns die Vorgehensweise beim Einklinken der Gurte und Sicherheitsleinen mit Karabinerhaken an den Führungsdrahtseilen. Das kennen wir schon von heimischen Klettergärten und auch von den Life Belts an Bord: Es gibt zwei Karabinerhaken, einer soll immer in eine Führungsleine eingeklinkt sein, während der andere auf eine neue Position umgesteckt wird. So ist man jederzeit gesichert.

Zum Einstieg kraxeln wir über Hängebrücken mit an Ketten hängenden Holzschwellen, damit der Besucher sich an die Höhe und die schwankenden Untergründe gewöhnt. Dann kommen wir zu einer Plattform als Startplatz für die erste Zip Line.

Insgesamt waren es wohl etwa zehn "Flüge", ich habe nicht mitgezählt. Gegen Ende lobt uns der Guide für unsere Disziplin bei der Sicherung mit den Karabinerhaken. "Where do you come from?" Ah ja, die Europäer seien allgemein so sehr viel kompetenter und verständiger in Sachen Sicherheit. Seine amerikanischen Gäste würden ständig ihre Eigensicherung vergessen, er müsse dann höllisch aufpassen und an die richtige Reihenfolge beim Umhaken erinnern. Wie wir denn hergekommen seien, mit dem Flieger? Nö, mit dem Segelboot drei Wochen über den Atlantik. Da bleibt ihm endgültig die Spucke weg. Bisher sei er nur mal zu Tagestouren auf kleinen Motorbötchen seiner Freunde gewesen. "Respect, Captain!" Aber klar, mitten auf dem Ozean steht Sicherheit natürlich auch an erster Stelle.

Leguan auf der Mauer auf der Lauer

Leguan auf der Mauer, auf der Lauer, auf dem Heimweg

Nach dem Thrill der Zip Line nutzen wir in der angenehmen Ruhe der Lodge das Gäste-WLAN für ein Telefongespräch mit Zuhause. Die Restaurantgäste haben lecker Aussehendes auf ihren Tellern. Ein kurzer Blick auf die Speisekarte genügt: Ach nee, lass mal. Geizkragen eben, alle beide. Schließlich machen wir uns auf den Heimweg. Freundlicherweise geht es bis auf den Anstieg aus dem Zip Line Tal praktisch immer bergab.

Unten in der Stadt angekommen, brauchen wir noch den obligatorischen PCR-Test für die Einreise in die British Virgin Islands. Den gibt es hier in einer ganz bestimmten Apotheke. Die Apothekenhelferin am Tresen schüttelt den Kopf: Den ganzen Tag sei schon der Server hoffnungslos überlastet, man könne gar keine Tests einreichen. Aber sie wolle kurz den Chef fragen, ob ein Test möglich ist. 

Nach kurzer Wartezeit kommt sie zurück und gibt wider Erwarten grünes Licht. "Bitte gehen Sie rechts vom Haupteingang in eine Mini-Gasse. Dort wartet der Doc auf Sie." Ein freundlicher Mann führt die Prozedur mit dem Teststäbchen in der Nase gewissenhaft und ruhig durch. Ich bin erstaunt: Er spricht deutsch! Dafür bedanke ich mich extra, denn das ist echt selten hier.

Schon auf dem Rückweg zum Dinghi Dock trifft die E-Mail mit dem Testergebnis ein, negativ, na klar. Dann haben wir alles, eingekauft haben wir ja gestern schon. Zurück an Bord hieven wir das Schlauchboot an Deck und machen das Schiff seeklar. Inzwischen geht das schnell und routiniert vonstatten. Im letzten Tageslicht geht der Anker hoch. Ich manövriere durch das Feld der zahllosen Ankerlieger. Als wir schließlich eine weit draußen ankernde, hell erleuchtete Luxusyacht passieren, ist es stockfinster. Auf zur Nachtfahrt! Bis nach Tortola sind es knappe 90 Seemeilen, Ankunft also voraussichtlich morgen Mittag. Die Nachtwachen verlaufen routiniert und ohne besondere Vorkommnisse.

St. Martin nach BVI

Unsere Route von St. Martin nach Road Town auf Tortola und weiter nach Virgin Gorda

Der Skipper
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